Lucio Fontana – Schnitte in der Leinwand

Lucio Fontana war zunächst Bildhauer – kein Wunder, wenn er die flache Leinwand in die Dimension des Raums öffnen wollte.

Die bekanntesten Werke des argentinisch-italienischen Künstlers Fontana sind farbige Leinwände mit Schnitten oder anderen Perforationen. Er fasste sie als Werkgruppe unter dem Titel Tagli (Schnitte) als Teil seines Concetto spaziale . eines Raumkonzepts in der Kunst zusammen.

Normalerweise würde man ja denken, ein Schnitt in der Leinwand ist ein Schaden an der Substanz. Nicht so hier. Mit etwas gedanklichem Überbau wird daraus ein Werk, das die Grenzen zwischen den Gattungen der Kunst überschreitet und zugleich den Blick auf die Kunst ändern kann. Die zerschnittene Leinwand bewegt sich zwischen Malerei und Bildhauerei. In gewisser Weise kann man das sogar wörtlich nehmen. Der Maler hat ja auf das Bild eingehauen.

Concetto spaziale 1952

Heutzutage wirkt das auf uns wie ein etwas plumper Show-Effekt. Doch da muss man etwas genauer hinsehen. Lucio Fontana (1899-1968) war in einer Zeit zum Künstler herangereift, als der Futurismus behauptete, dynamische und laute Maschinen, Raketen und Rennwägen wären schöner als die Nike von Samothrake, als der Inbegriff klassischer griechischer Schönheit. Das war eine Revolution. Anfang des 20. Jahrhunderts war Kunst sehr politisch, die Künstler gaben Manifeste heraus. Fontana selbst lebte zwischen Argentinien und Italien. In der Nachkriegszeit formulierte er 1946 in Buenos Aires das Manifesto Bianco (weißes Manifest ) und ein Jahr später in Mailand das Manifesto Spaziale (Räumliches Manifest).

Fontana wollte eine neue Haltung zur Kunst. Zunächst soll das Gemälde von darstellenden Formen befreit werden. Es geht nicht mehr darum, etwas nachzubilden oder im Bild entstehen zu lassen. Fontana wählt die einfarbige, monochrome Leinwand als Basis. Im ersten Schritt soll allein die Farbe, die Einfarbigkeit das Werk sein.

I Metalli 1961-1968

Doch dabei blieb es nicht. Das klar umgrenzte Bild will er dann für Raum und Zeit öffnen. Das tut er brachial. Er sticht in die Leinwand. Er zerschneidet die bemalte Fläche. Auf diese Weise gelingt es ihm die Leinwand für die dritte Dimension des Raums zu öffnen. Die vierte Dimension der Zeit wird durch die Spur der kraftvollen Dynamik beim Durchbrechen der Fläche erreicht. Der sichtbare Beweis, welche Kraft, welche Bewegung in einem früheren Moment in der Zeit auf das Bild eingewirkt haben. Zu Fontanas Vorstellung die Aspekte der modernen Welt in die künstlerische Arbeit zu integrieren gehören auch Licht-Installationen und die ersten Environments.

Wenn Farbe vom Bild in den Raum kommt

Gotthard Graubner nannte seine bekannteste Werkserie Farbraumkörper. Sogar beim Bundespräsident hängen seine Farbkissen.

Die Farbraumkörper sind große wattierte Leinwände. Ihre Weichheit ist anziehend. Und ihre Farbigkeit strahlt in den Raum aus.

Der Künstler hat für seine großformatigen Bildern nicht wie üblich die Leinwand direkt auf den Keilrahmen gespannt. Dazwischen liegen dicke Kissen aus Watte. Gotthard Graubner gehört zu den reinen Farb-Malern. Seine Bilder brauchen keine klar umrissenen Formen. Zu sehen bekommt man eher Farbwolken. Ins Bild gelangen sie durch viele Schichten übereinander gelegter Farbe. Die Oberfläche zeigt eher einen Farbhauch. Doch die Bilder sind nicht nur zart, sondern auch stark. Denn die Farbe strahlt deutlich in den Raum aus.

Aus den großen Formaten strahlt die Farbe – Ohne Titel – 1970, 1982

Gotthard Graubner (1930-2013) gehört zu den Künstlern, die wie Gerhard Richter, Guenther Uecker, Sigmar Polke und Georg Baselitz zwischen DDR und BRD gelebt und gearbeitet haben und zu denen, die sowohl auf der Kasseler Documenta wie der Biennale in Venedig ausgestellt wurden.

Seine Werke faszinieren durch ihren Umgang mit dem Bild als Objekt und mit der Farbe. Graubner gelingt es, Kunstwerke zu schaffen, die über die Begrenzung der Bildfläche hinaus wirken. Das liegt nicht nur daran, dass die Wattierung dem Bild neben Höhe und Breite die dritte Dimension der Tiefe verleiht, mit der das Werk in den Raum greift.

Kissenbild, 1970

Die vielen scheinbar ins Unsichtbare versickerten Schichten Farbe wirken wohl doch noch mit, wenn das Bild angeleuchtet wird. Denn aus dem Bild strahlt die Farbe wie ein sanfter Scheinwerfer. Man sollte sich also Raum und Zeit nehmen, der Wirkung dieser Werke auf die Umgebung nachzuspüren.

In den Museen ist es die Aufgabe der Kuratoren, für die Erhaltung der Werke zu sorgen. Als man im Nürnberger Museum versuchte Graubners Farbkissen durch Hüllen aus Plexiglas vor Umwelteinflüssen zu schützen, führte dies zu Problem. Denn die Farbraumkörper müssen atmen.

Die Biennale, die Kunst und die Politik

Gleich zur Eröffnung gab es massive Proteste gegen eines der ausgestellten Werke. Der Künstler Christoph Büchel stellte mit Barca Nostra 2018-2019 ein 2015 gesunkenes Boot in dem hunderte Flüchtlinge den Tod fanden auf der Biennale aus. Dankenswerter Weise blieb der Schweizer dabei im Hintergrund. Er gab keine Kommentare zum Werk und verzichtete auch auf eine Beschilderung. Man kann also davon ausgehen, dass das Thema nicht fürs Eigenmarketing vorgeschoben wurde.

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Venedig: Identität, eine nationale Kategorie?

In Zeiten in denen sich so vieles vermischt, in denen nicht nur Produkte, Techniken und Wissen so ziemlich überall schnell, leicht und weitgehend gleich verfügbar sind, sondern auch die Menschen von einer Kultur in die nächste wandern, oftmals weil sie müssen, stellen sich viele der national ausgewählten Künstler offensichtlich die Frage, woher komme ich, was sind eigentlich meine eigenen Wurzeln oder die des Landes in dem ich lebe, was hat das mit mir als Individuum zu tun, was bedeutet die Vergangenheit eines Ortes für meine, unsere Zukunft als Menschen?

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Basel – das Mekka des Kunsthandels

Einmal im Jahr pilgern die Kunstfreunde nach Basel. Zu Händlern und Käufern gesellt sich ein buntes Völkchen Interessierter. Zu sehen gibt es Kunst in allen Kategorien. Das Konzept der Art Basel ist so erfolgreich, dass die Messe Ableger in Miami und Hongkong hat. Die Anwesenheit vieler solventer Sammler brachte Basel noch weitere Messen ein, die zeitgleich stattfinden, wie die VOLTA Basel (sonst New York), die LISTE, Photo Basel und Paper Positions, sowie einiger kleinerer Events.

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